1. Redc (Leander Sukov vor dem Plenum in Krakau, englisch)
  2. Bericht vom Krakauer Treffen
  3. Pressemitteilung zur Aufnahme, veröffentlich am 10.8.2025

 

Redetext der Vorstellung unseres Zentrums auf der internationalen Versammlung

Leve Maten vun den internatschonalen PEN,

ji warrt verbaast ween: Noch en düütsche Zentrum? Man wi sünd gor keen düütsche Zentrum. Wi sünd en Spraken-Zentrum un uns Spraken gifft dat in tominnst söven Länner.

That was Low German. I do not, unfortunately, speak Frisian—none of its tongues. Our Low German–Frisian PEN Centre may be based in Hamburg, but it is not a German centre. It is a centre of languages. Within it, two entire families of speech find a home: the far-spreading Low German and the sea-bound Frisian.

Frisian, in at least four varieties, is spoken in Germany, more still in the Dutch province of Friesland, and in small enclaves of Denmark. Low German, in at least three main branches, is spoken not only in Germany but also in Brazil, in other South American states, in enclaves of South Africa, in Russia, Denmark, and the Netherlands. Between four and eight million people speak Low German—some daily, some occasionally.

And these languages are alive. They are taught in schools, appear on street signs, have their own newspapers—as in Brazil, where Plautdietsch and Pomerano are spoken—and are studied in research centres. In Germany alone there are no fewer than sixteen university chairs devoted to Low German or Frisian.

This vitality was the reason for our founding. We did not wish only to join the PEN family in solidarity and in defence of the freedom of expression. We wished also to be a lighthouse—showing that languages can be nurtured, expanded, even restored where they have begun to corrode. Our Honorary President, Marie Tångeberg, now 101 years old, proved this in the 1950s when, as a headmistress in northern Germany, she transformed her school into the first Frisian mother-tongue school. She showed the world: a language can indeed be saved.

We know, too, the darker side. Our Honorary Member, the Kurdish singer Nudem Durak, was sentenced in Turkey to eighteen years in prison. The charge was “support of resistance.” Her real act of resistance was the singing of her people’s songs in her own language. She is not alone. From the Balkans to Ukraine, from Asia to the Americas, there are persecutions, exclusions, imprisonments, even bans and forced erasures of language.

Where language is crushed, so too is expression, literature, inherited culture—whole ways of seeing the world.

We are now a little over seventy members, and we believe there is potential in Germany for at least three hundred and fifty. Beyond Germany, in Brazil, in the Netherlands, in South Africa, there are writers of Low German and Frisian whose voices deserve to be heard. In close dialogue with our sister PEN Centres, we will prepare a campaign for South America in 2026 or 2027.

Our board includes the writers Gesa Schröder, Reimer Eilers, and Evert Everts; the essayist and politician Simone Barrientos; and the poet and singer Christoph Scheffler, who has been deeply involved in the international campaign for Nudem Durak.

For us, freedom of expression is inseparable from the freedom to speak, sing, and write in the language that one calls one’s own.

Thank you.

Bericht von der Krakauer Versammlung

Eine wichtige Zielorientierung

Der PEN-Kongress in Krakau im September 2025 stellt eine bedeutende und von vielen lange erwartete Neuorientierung der Gemeinschaft der internationalen PEN-Zentren dar.

So hat sich der Internationale PEN – nicht zum ersten Mal, nun aber mit der gebotenen Klarheit – zur Klimakrise geäußert. Viele Staaten, insbesondere des Globalen Südens, sind von den Folgen des menschengemachten Klimawandels besonders betroffen. Bedroht sind nicht nur Küstenregionen und von Dürre gefährdete Gebiete, sondern auch die weltweite Nahrungsmittelversorgung, der Außenhandel und die Binnenwirtschaft – und damit mittelbar auch die heimische Buchproduktion.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten und missglückte Hilfsprojekte aus dem Norden haben Märkte im Süden zusätzlich geschwächt. Ein Beispiel ist die Zerstörung lokaler afrikanischer Textilindustrien, die durch Billigimporte und Altkleiderspenden aus Europa vom Markt gedrängt wurden. Literatur bedeutet auch, Zustände zu erkennen und zu benennen. Wer hinsieht und schweigt, läuft Gefahr, der Unwahrheit das Wort zu reden.

Geändert hat der Internationale PEN außerdem die – für die Mitgliedszentren nicht bindenden – Aufnahmekriterien. Nun sollen auch Personen Mitglied werden können, die sich in fördernder Weise für Literatur engagieren. Von dieser Öffnung wollen wir gerne Gebrauch machen.

Eine gewichtige Resolution wurde zu den Rechten von LGBTQIA+-Autor:innen verabschiedet. Gerade in Afrika verschärft sich die Verfolgung queerer Menschen. So hat auch die Regierung von Ibrahim Traoré in Burkina Faso homosexuelle Beziehungen unter Strafe gestellt – mit bis zu fünf Jahren Haft. Die Lage queerer Schriftsteller:innen verschlechtert sich, nicht nur in Afrika oder Asien. Auch in den USA nehmen Einschränkungen zu: Buchverbote, ja sogar Bücherverbrennungen, Einkommensverluste und der Verlust des Arbeitsplatzes gehören dort mittlerweile zur Realität. Eine Organisation wie PEN konnte dazu nicht schweigen. Schon in den Vorjahren hatte PEN hierzu Stellung genommen. Wir werden jede Initiative unterstützen, die – ähnlich wie die Komitees „Writers for Peace“ und das „Translation and Linguistic Rights Committee (TLRC)“ – die Gründung eines internationalen Komitees für LGBTQIA+-Fragen anstrebt.

Die Vizepräsident:innen des Internationalen PEN haben die besondere Funktion, gehört zu werden. Neue Vizepräsidentin ist die Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk.

Als neue Zentren haben sich beworben: PEN Syria (bisher Syrian PEN in Exile), der Jiddische PEN, der Romani PEN, der PEN für die Sprachen der Völker Russlands (gegründet überwiegend im Exil), der PEN Español sowie der PEN Sudan. Sollte ich eines der neuen Zentren übersehen haben, bitte ich das zu entschuldigen. Es ist zu erwarten, dass die Zahl der sprachbasierten PEN-Zentren zunimmt. Gerade im Globalen Süden, wo Grenzen häufig willkürlich gezogen wurden, existieren in einzelnen Staaten mehrere Hundert Sprachen, die teils eigene Literaturen hervorgebracht haben.

Das Niederdeutsch–Friesische PEN-Zentrum war in Krakau noch nicht stimmberechtigt. Das Ergebnis der Zuwahlen lag bei meiner Abreise noch nicht vor. Über unsere Aufnahme – oder Nichtaufnahme – werden wir mit dem gebotenen Understatement zu gegebener Zeit berichten.

(Anmerkung: Wir wurden aufgenommen)

Pressemitteilung (Langfassung) zur Aufnahme

Niederdeutsch-Friesisches PEN-Zentrum offiziell in den internationalen PEN aufgenommen

Krakau/Hamburg. – Das Niederdeutsch-Friesische PEN-Zentrum mit Sitz in Hamburg ist auf der Jahrestagung der internationalen PEN-Zentren in Krakau als offizielles Mitglied bestätigt worden. Mit überwältigender Mehrheit votierten die anwesenden Delegierten der rund 140 PEN-Clubs weltweit für die Aufnahme.

Das Zentrum vertritt Autor:innen, mit Affinität zu Niederdeutsch und Friesisch – Sprachfamilien, die nicht nur in Deutschland, den Niederlanden und Dänemark, sondern auch in den USA sowie in lateinamerikanischen Staaten lebendig sind. „Wir wollen so bald wie möglich auch dort präsent sein und werden unser Präsidium in den kommenden Jahren um Vertreter:innen der niederdeutschen Dialekte Pommerano und Plautdietsch erweitern“, erklärte Präsident Leander Sukov.

Für die Mitgliedschaft ist es nach dem Kongress in Krakau nicht mehr nötig, literarische Werke zu schaffen, sondern eine Nähe zu den Sprachen zu haben, auch als Förderer oder Wissenschaftler.

Dem Niederdeutsch-Friesischen PEN-Zentrum gehören derzeit rund 100 Schriftsteller:innen an. Zur Ehrenpräsidentin wurde im vergangenen Jahr die 101-jährige Marie Tångeberg ernannt. Die Grande Dame des Friesischen hatte bereits in den 1950er-Jahren ihre Schule eigenhändig zur friesischen Schule umgestaltet – ein Einsatz, der bis heute als Meilenstein für den Erhalt der friesischen Sprache in Deutschland gilt.

Ehrenmitglied ist die kurdische Sängerin und Lieddichterin Nûdem Durak, die in der Türkei zu 19 Jahren Haft verurteilt wurde. Das Präsidium beschloss 2023 ihre Ehrenmitgliedschaft als Zeichen der Solidarität mit bedrohten Künstler:innen.

Inhaltlich will sich das Zentrum vor allem im Bereich der Sprachrechte engagieren. Im internationalen PEN existiert hierzu ein „Standing Committee“, in dem das Niederdeutsch-Friesische PEN-Zentrum künftig mitarbeiten wird. „Die Förderung des Niederdeutschen und Friesischen kann beispielhaft zeigen, wie Spracherhalt und Literaturförderung ineinandergreifen“, so Gesa Schröder, Beauftragte für Sprachrechte im Präsidium. Forschung, Unterricht und Literatur seien in Deutschland und den Niederlanden seit langem fester Bestandteil der Kulturpolitik.

Pressekontakt:
Leander Sukov
0178 1305531