Das Niederdeutsch-Friesische PEN-Zentrum (aspiring) trauert um Peggy Parnass, die am 12. März 2025 im Alter von 97 Jahren verstorben ist. Ihr Leben war geprägt von Widerstand, Mut und dem unerschütterlichen Engagement für Gerechtigkeit. Als Hamburgerin mit starken Wurzeln in St. Georg war sie eine bedeutende Persönlichkeit der Stadt und eine streitbare, leidenschaftliche und kluge Stimme.
Peggy Parnass wurde am 11. Oktober 1927 in Hamburg geboren. Ihre Eltern, Simon Pudl Parnass und Hertha Parnass, geborene Emanuel, wurden 1942 von den Nationalsozialisten deportiert und in Treblinka ermordet. Im September 2023 wurde der Parnass-Platz in Hamburg-Eimsbüttel nach ihnen benannt, unweit ihrer früheren Wohnung in der Methfesselstraße. Für Peggy Parnass war dies ein emotionaler Moment, der die Rückkehr ihrer Eltern an den Ort symbolisierte, von dem sie einst vertrieben wurden.
Die traumatischen Erlebnisse ihrer Kindheit begleiteten sie ihr Leben lang. Im Alter von elf Jahren wurde sie mit ihrem jüngeren Bruder nach Schweden gebracht, was eine Rettung, aber auch eine Trennung darstellte, die sie nie vollständig überwand. Sie bewahrte die letzten Briefe ihrer Mutter auf, bis ein Vormund sie vernichtete, um ihren Schmerz zu lindern. Jedoch konnten die Erinnerungen nicht ausgelöscht werden, und das Schweigen über ihr eigenes Leid war für sie keine Option. Sie erklärte, dass sie alles, was sie zu sagen hatte, aufgeschrieben habe. In ihrem Buch „Unter die Haut“ (1983) setzte sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinander und litt unter den emotionalen Belastungen, die das Schreiben verursachte.
Die Elbe, die Straßen Hamburgs und das lebendige St. Georg waren ihr Zuhause. Hier lebte und engagierte sie sich. Sie war eine scharfsinnige Beobachterin und Chronistin von Ungerechtigkeiten. Den Kampf gegen die alten Nazis, die in der jungen Bundesrepublik viel zu lange eine wesentliche Rolle spielten und deren Wiedergängern, führte sie mit Kraft, Vehemenz und Anmut.
Als Gerichtsreporterin für „konkret“ analysierte sie die Justiz und die handelnden Personen. Sie beleuchtete Täter, ihre Taten und die Umstände, die dazu führten. Sie schilderte komplexe Bilder von Tätern, die sich nicht in einfache Kategorien einordnen ließen. Ihr 1978 veröffentlichtes Buch „Prozesse 1970–1978“ ist ein bedeutendes Werk der deutschen Gerichtsberichterstattung.
Neben ihrer Tätigkeit als Journalistin setzte sie sich für die Rechte von Frauen, der LGBTQ+-Community und marginalisierter Gruppen ein. Sie war eine bekannte Persönlichkeit der queeren Bewegung in Hamburg und eine Stimme gegen Homophobie. Mit ihrer Lebensfreude, ihrem Lachen und ihrer auffälligen Erscheinung war sie eine Person, die Widerspruch hervorrief.
Ihre Werke, darunter „Süchtig nach Leben“ (1990) und „Kindheit: Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete“ (2012), spiegeln ihr Engagement für Gerechtigkeit wider und zeigen die Stärke eines Lebens, das sich nicht unterdrücken ließ.
Peggy Parnass wurde für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet:
- Fritz-Bauer-Preis (1980),
- Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte (1990),
- Biermann-Ratjen-Medaille der Stadt Hamburg (1998),
- Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland (2008),
- Ehrendenkmünze in Gold des Hamburger Senats (2019),
- Benennung des Parnass-Platzes in Hamburg-Eimsbüttel (2023),
- Ehrenmitgliedschaft im deutschen PEN-Zentrum und in der Louise-Aston-Gesellschaft,
- Aufnahme in das Lonka-Projekt als Holocaust-Überlebende (2021).
Mit Peggy Parnass verliert Hamburg eine engagierte, mutige und prinzipienfeste Stimme. Ihre Texte, ihr Engagement und ihre Entschlossenheit werden in Erinnerung bleiben. Sie lehrte uns, dass Erinnerung eine Verpflichtung darstellt.
Foto: Niqel, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons